Ludwig W.
Tractatus Mundo Digitali (Das Spätwerk – Version 0.657)
Herausgegeben von Ray M., Wilhelm V., Hans D. S., Anthony C. G. und James C. K.
Vorwort der Herausgeber
Das Auftauchen des hier vorgelegten Manuskriptes zählt gewiss zu den seltsamsten und geradezu sensations-heischenden Überraschungen des Jahres 2011. Die insinuierte Autorenschaft Ludwig Wittgensteins ist nicht umstritten, sie ist unmöglich; Ludwig Wittgenstein starb im Jahre 1951. Wer wollte das bezweifeln?
Ebenso unabweisbar jedoch orientiert sich der vorliegende Thesenapparat in Form und Geist am berühmtesten Werk Wittgensteins. Beinahe noch überraschender ist der Inhalt selbst, dem eine visionäre Geste und auch Kraft kaum abzusprechen ist und der gewiss zu einer breit angelegten Diskussion Anlass gibt – so wie es der Autor offenbar auch intendierte. Der Autor gibt vor, die Thesen zusammengesammelt und gar nicht mal selbst erzeugt zu haben und betrachtet sie daher auch eher als eine katalytische Substanz, denn als ein fertiges Werk. Allerdings fällt es schwer, diese Annahme mit Verweisen zu stützen.
Es ist zu früh, um bereits heute eine ausgiebige Interpretation und Einordnung der Thesen vorzulegen; in seinen Prämissen wie in seinen Folgerungen erweist sich der Text als, sagen wir mal, gewöhnungsbedürftig. Mindestens jedoch hat dieser WeltenWurf (oder ist es ein WeltEntwurf?) das Potential, das Denken der kommenden Jahre und vielleicht sogar Jahrzehnte zu beeinflussen, zu prägen, eine Richtung vorzugeben.
Vor oder wenigstens parallel zu dieser nunmehr beginnenden Diskussion kann uns die Frage nach der Autorenschaft - und die Umstände des Auftauchens dieses Manuskriptes - nicht unberührt lassen. Den geringen Teil, den wir zur Aufklärung beitragen können, wollen wir hier dokumentieren, auch um - solange eine vollständige Aufklärung unmöglich erscheint - der anstehenden Mythenbildung den denkbar schmalsten Raum zu lassen.
Das Manuskript wurde im Jahre 2010 mittelbar an den Unterzeichner zugestellt. Mittelbar, das soll sagen: In Abwesenheit des Adressaten wurde die Sendung von der zufällig im Hause Monk anwesenden Dr. Genia Schönbaumsfeld persönlich entgegen genommen. Was die genauen Umstände dieses ersten „öffentlichen Auftauchens“ betrifft, so gibt es gewisse Widersprüche: Wiewohl sich Frau Dr. S. (sie ist Österreicherin) genau daran zu erinnern glaubt, anhand der Frankierung Wien als Absendeort des wattierten Umschlages identifiziert zu haben (und in Erwartung einer solchen Sendung von daher für einen Augenblick annahm, diese sei für sie selbst be-stimmt, und die sie deswegen geöffnet habe), kann sie nicht sagen, ob die eigentliche Übergabe durch einen Zusteller der Post oder „irgendeine andere Person“ erfolgt sei. Sozusagen „in Tateinheit“ mit dem irrtümlichen Öffnen hat Frau Dr. S. den Umschlag direkt in die Mülltonne entsorgt, die nur eine Stunde später von der Müllabfuhr Southhamptons unwiderbringlich geleert wurde. Der später befragte Postzusteller des Bezirkes ist bereit, an Eides statt zu versichern, an diesem Morgen keine Sendung für das Haus M. ausgeliefert zu haben.
Das abenteuerlich anmutende Begleitschreiben des Manuskriptes ist dagegen erhalten (und im Anhang dokumentiert). Demnach sei das Manuskript beim Einbau einer neuen Heizungsanlage im ehemaligen Haus Wittgenstein in der Kundmanngasse gefunden worden, und zwar, heisst es, in Ölpapier eingewickelt im unteren Stich des Schornsteins, wo es von einer 45 cm starken Schicht Russ bedeckt gewesen sei. Der Absender dieses Begleitschreibens gibt sich als ein an Wittgensteins Philosophie interessierter, von Geburt czechischer Heizungsbauer aus, der, derzeit arbeitslos, im Hause Wittgenstein schwarz gearbeitet habe und deswegen nicht identifiziert werden wolle. Er habe aber den ungewöhnlichen Gehalt des Manuskriptes selbst erkannt und habe es für angemessen gehalten, das Manuskript an den „Wittgenstein-Kenner M.“ zu senden, der „damit schon das Richtige anzufangen wüsste“.
Ich habe nachfolgend eine Reihe von international renommierten Kollegen, darunter Wilhelm V., Hans D. S., Anthony Clifford G. und James C. K. zu Rate gezogen. Nach Monaten intensiver Diskussion, u.a. auch auf dem 33. Wittgenstein Symposium, beschloss dieser Kreis, als Herausgeber das vorliegende Manuskript zu publizieren. Ausdrücklich verbinden wir damit den Hinweis, im Sinne einer philosophisch-kritischen Prüfung weder für noch gegen das Manuskript oder einzelner Teile Stellung zu beziehen. Wir machen es lediglich öffentlich zugänglich.
Southhampton, November 2012, für die Herausgeber:
Professor Dr. Ray M.